[Archiv: Historische Dokumentation]

IMMER WIEDER MITTWOCHS
16.07.2014

Bein schlägt Hirn

Der Ball ist rund Interessen und ihre Vertreter Teure Beine Einer muss gewinnen Ab in die Kabine Wie im alten Rom Arme Präsidentin Den Brics wird’s mulmig Nicht nur der DAX DAX, Euro, Gold


Brot
und
Spiele XXL

Eine runde Sache

Fussball

Der Ball ist rund und ein Segen für die Menschheit. Es gibt kaum etwas, was man mit dem Ding nicht tun kann. Der Ball begleitet uns von Kindesbeinen an. Deshalb ist er aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Es scheint auch wenig zu geben, was da nicht hineinpasst. Nicht selten verknüpfen ganze Nationen ihr Schicksal mit diesem Spielzeug. Das gilt sowohl für Regierungen als auch für die Regierten. Außen rund und innen hohl, der Ball hat den idealen Körper. Trotzdem sperrt man ihn immer wieder ein. Kaum hat er mal das Terrain verlassen, wird er beim Fußballspiel sofort wieder ins Gefängnis zurückgeworfen.

Von solchen Regeln ist aus den zweitausender Jahren (vor Christus) aus China nichts überliefert. Bereits zu jener Zeit soll dort schon der Ball mit Füßen getreten worden sein. Man kennt weder Vater noch Mutter. Ein Mutterland hat man der modernen Variante dennoch zugeordnet. Von England aus nahm die reglementierte Form ihren Lauf. So tappen auch die besten Spieler immer wieder in die Abseitsfalle. Manche Regeln wurden aufgehoben, neue kamen hinzu. So darf der Torwart zwar beim Elfmeterschießen im Tor herumhampeln aber die Torlinie nicht überschreiten.

Es gibt auch viele andere Spielarten. Aber besonders die Ballbearbeitung mit den Füßen hat sich wie ein religiöses Ritual über den gesamten Globus ausgebreitet. 22 Menschen rennen hinter dem Hohlkörper her, in der Regel 90 minutenlang mit einer kurzen Unterbrechung. Dabei wird ständig auf den Ball eingetreten. Das ist ausdrücklich erwünscht. Will einer der Beteiligten den Ball schonen und tritt stattdessen gegen ein ballpeinigendes Bein, so wird das bestraft. Es folgt ein besonders kräftiger Strafstoß. Der Leidtragende ist wieder der Ball.

Wie gesagt, die Sache ist über den ganzen Erdball verbreitet. Was einmal klein und harmlos auf dem Hinterhof im Kindergarten oder auf dem Spielplatz anfing, ist inzwischen fest im Griff. In welchem, ist nicht immer so genau erkennbar. Jedenfalls gibt es viele Interessen. Die Beine, die auf dem Ball herumtrampeln oder ihm hinterherlaufen kosten viel Geld. Das ist im Interesse der Beinbesitzer. Damit die Beine ordentlich teuer werden, wird knallhart das bewährte Knappheitsprinzip eingesetzt. Viel Geld für wenige Beine wird allerdings nur in professioneller Umgebung bezahlt. Da entschweben die Preise in den Millionenbereich.

 Irgendwann einmal haben sich ein paar Interessenvertreter das Recht genommen, einen Zaun zu ziehen. Innerhalb dieses Zauns wurden die Profis angesiedelt. Das organisieren die Verbände. Jetzt fehlte nur noch einen Grund, warum auf dem Ball oder mehr oder weder versehentlich auf den Beinen herumgetreten werden sollte. Die Beine und die Funktionäre bezahlen reicht als Begründung natürlich nicht aus. Das ist aber kein Problem. Man musste nur auf eine leicht entzündbare menschliche Schwäche zurückgreifen: ich bin größer als Du, ich bin schneller als Du, ich kann mehr als Du, ich bin schöner als Du, ich bin besser als Du, …. Das klappt immer wieder hervorragend. Mit diesem Schubladensystem behält man auch große Menschenansammlungen außerhalb des Fußballfeldes sicher im Griff. Alle strampeln sich ab. Einer muss gewinnen. Was anderes zählt nicht.

So entstanden die privilegierten Gruppen der Gewinnenwoller. Damit das alles ohne großes Aufsehen über die Bühne ging, wurde auf Vereine zurückgegriffen, in denen bereits zuvor ganz harmlos gekickt worden ist. Es wurden überschaubare Gruppen zusammengestellt. Innerhalb derer werden seither immer zwei Mannschaften zu je 11 Fußballern nach einer ganz simplen Strategie mit dem Ball über das Spielfeld getrieben. Wer nach oben will muss gewinnen. Wer verliert steigt ab. Den Vereinen und den Beinen winkt nur oben das große Geld.

Damit die teuren Beine dann aber auch bezahlt werden können, müssen natürlich große Spielplätze her. Die nennt man heute Stadien oder Arenen. Wer sich kein ordentliches Stadion leisten kann, scheidet trotz bester Kicker von vornherein aus. So kommt es, dass große Stadionbesitzer oft auf schlechten Spielern sitzen. Das führt dazu, dass sie bessere Spieler einkaufen müssen. Das verteuert das ganze Spiel natürlich. Deshalb können die Stadien nicht groß genug sein.

Zur Bezahlung der Fußballbeine reichen die Eintrittsgelder aber schon lange nicht mehr aus. So große Arenen können zum Aufrechterhalten des Spielbetriebs gar nicht gebaut werden. Das Melken der ballbegeisterten Zuschauer auf diesem Weg hat bald ein natürliches Ende. Außerdem gehen nicht nur die aktiven Beine ins Geld. Die Leute, die den Ballprofis Beine machen, kosten auch ein Heidengeld. Besonders die Investition in die Trainerschaft hat eine kurze Verfallzeit. Ist der Verein auf dem absteigenden Ast, muss der Trainer gewechselt werden. Der Neue ist dann selten billiger als der erfolglose Vorgänger.

Mann im dunklen Anzug Korruption

Für gewiefte Vereinsvorstände und Manager ist das natürlich kein Problem. Damit der Taler rollt, wird frühzeitig die Verbindung zur Politik hergestellt. Das ist schon beim Stadionbau sehr nützlich. Politiker haben nicht selten ein zweites Standbein in der Sportwelt. Das fördert die Karriere. Sport gilt als gesund. Wer möchte sich diesem selbstlosen Anliegen verschließen. Und wer lässt sich nicht gern mit Siegern ablichten?

Dieses Versäumnis wagt keine Partei- oder Staatsspitze. Zur Fußball Weltmeisterschaft 2014 reisten sogar der Bundespräsident zusammen mit der Bundeskanzlerin nach Rio de Janeiro, wahrlich kein Katzensprung. Nach dem Spiel ist vor der Wahl. Die Bilder sind wertvoller als Gold. Der Besuch aus dem Kanzleramt in der Mannschaftskabine gehört inzwischen zur Staatsraison.

Wegen der Balltreter war die Bundesrepublik Deutschland vorübergehend kopflos. Viel passieren konnte zu Hause allerdings nicht. Die zurückgebliebene Bevölkerung saß vor den Fernsehschirmen oder harrte vor überdimensionalen Bildwänden aus. Die dummen Gedanken halten sich bei solchen Anlässen in Grenzen. Zu lärmende Blechlawinen in den Hauptstraßen reicht es gerade noch. Die fördern immerhin noch den Umsatz der Mineralölkonzerne und lassen das Volk anschließend ruhig schlafen.

Alle sind glücklich. Für die hochbezahlten Profis haben sich Schweiß und Tränen gelohnt. Der Trainer hat es seinen millionenfachen Mitbewerbern gezeigt, die Funktionäre behalten ihren Job, die Sponsoren freuen sich auf gute Umsätze und die Sender verbuchen Rekordquoten. Da stell niemand mehr die Kosten in Frage und die Gebührendebatte ist erst einmal vom Tisch. Nur die Fangemeinde geht leer aus. Dafür sind die Leute wieder wer: „wir haben gewonnen“, „wir sind Weltmeister“ … Dafür backen und essen „wir“ gerne weiter kleine Brötchen.

Euroschein-Stapel-Fotolia_38362446_XS-gedreht-106x71 Wir haben nun schon einige Interessen notiert. Die der Spieler mit den Beinen, die Vereine, die Politiker und die Funktionäre. Der moderne Sportbetrieb geht aber derartig ins Geld, dass eine weitere Interessengruppe geradezu lebensnotwendig ist. Wir sprechen von den Sponsoren. Das sind in der Regel große Unternehmen. Die sind der Grund, warum Athleten- und Trainertrikots mit Firmenlogos zugepflastert sind und die Stars nicht nur über das Spielfeld stürmen, sondern auch ständig die Fernsehsendungen unterbrochen werden müssen.

Die Fans nehmen es hin. Sie kennen inzwischen auch gar nichts anderes mehr. Wir sind längst wieder im alten Rom zu Hause. Schon zu dieser Zeit hatte man die Beruhigungspille für eine genügsame Unterordnung unter die Staatsraison in griffige Worte gefasst: „Brot und Spiele“ – „panem et circences“ . Beim römischen Dichter Juvenal (etwa 100 n. Chr.) können wir in einer Satire nachlesen: „dass das römische Volk in der Zeit der funktionierenden Republik seine Macht an Feldherren abgegeben und Beamte gewählt habe, sich jedoch ängstlich und entpolitisiert nur noch diese beiden Dinge gewünscht habe: Brot und Spiele.“ Auch dem römischen Kaiser Trajan wird die Meinung nachgesagt, „dass das römische Volk insbesondere durch zwei Dinge, Getreide und Schauspiele, sich im Bann halten lasse“. Deshalb waren „Massenunterhaltungen“ auch schon in den hunderter Jahren besonders angesagt.

Eine künftige Generation von Historikern und Historikerinnen wird sich vielleicht einmal dazu äußern, ob hochkarätige Staatlenker anno 2014 nichts besseres zu tun gehabt hätten als Gladiatorenkämpfe in einem Stadion anzuschauen. Leicht erkennen Sie auf den Tribünenbildern, ein deutsches Pärchen, das freudig herumzappelt, während die gastgebende Staatschefin daneben ein eher gedrücktes Bild vermittelt. Auch der russische Staatschef in der gleichen Reihe schein nicht in der gleichen Feierlaune zu sein.

Dilma Rousseff, die zur Weltmeisterschaft amtierende brasilianische Präsidentin ist in Belo Horizonte geboren. Ihr Geburtsort wird mit der dramatischen 1:7 Niederlage der brasilianischen gegen die deutschen Fußballbeine in Erinnerung bleiben. will im Oktober wiedergewählt werden und wird dem Wahlvolk erläutern müssen inwiefern sich die vielen Milliarden für das Spektakel gelohnt haben. Für die Einwohner von Belo Horizonte war der Einsturz einer im Bau befindlichen Brücke (WM-Infrastrukturprojekt) kurz vor dem Anpfiff sicherlich folgenschwerer als die Niederlage gegen die deutsche Elf. Der russische Staatsgast kann in vier Jahren die Kämpfe ums runde Leder im eigenen Lande verfolgen. Spätestens dann ließe sich erneut unter Beweis gestellt werden, dass Sport tatsächlich auch der Völkerverständigung dient. Anders als für die deutschen Gäste auf der Ehrentribüne musste für seine Stippvisite ins Stadion kein zusätzliches Kerosin getankt werden. Wladimir Putin war ohnehin in der Gegend.

Nach dem für die deutsche Nationalmannschaft so erfolgreichen Finale wird gern daraufhin gewiesen, dass damit den Europäern zum ersten Mal der fußballerische Einbruch auf diesem Kontinent gelungen ist. Wirtschaftlich ist das ist den Brasilianern und Russen wahrscheinlich eher gleichgültig. Zusammen mit China, Indien und Südafrika sind sie stattdessen dabei, unter dem Kürzel BRICS ein Gegengewicht zur westlichen von Amerika dominierten Wirtschaftsübermacht zu etablieren. Immerhin bilden sie 26 Prozent der Erdoberfläche und stellen 40% der Weltbevölkerung. Etwas gönnerhaft werden sie gern als „Schwellenländer“ bezeichnet. Nach dieser Lesart befinden sie sich auf der Schwelle vom „Entwicklungsland“ zum „Industriestaat“.

Den BRICS-Staaten wurde es auch etwas mulmig, ihr Schicksal teilweise in den Händen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu wissen. Kaum waren die Fußballer abgereist, gründeten sie in Fortaleza (Deutschland/Ghana 2:2) ihre eigene Entwicklungsbank (New Development Bank) und ihren eigenen Reservefonds (Contingent Reserve Arrangement). Die Beobachtung solcher Entwicklungen sind nicht unbedingt das Ding der Fußballfans. Dafür hat die globale Kapitalgemeinde schon seit jeher einen wachsamen Blick auf die „Emerging Markets“. Dazu zählen auch die BRICS-Saaten.

Die Wachstumsraten dieser „aufstrebenden Märkte“ bringen die Augen der Finanz- und Börsenwelt immer wieder mal zum Leuchten. Während das gute alte Europa es gerade noch auf 2% bringt, locken bei Emerging und Co. immer wieder mal zweistellige Zugewinne. In der Euphorie wird dann aber gern verdrängt, dass das Risiko auch eine steigende Größe sein kann. Dieses Risiko spiegelt auch der ausschlaggebende Aktienindex des WM-Gastgeberlandes wieder. Der „Indice Bovespa (Ibovespa)“ startete 1968 mit 100 Punkten. Während der Fußball Weltmeisterschaft 2014 notierte der „Bovespa“, wie er hierzulande meist genannt wird, bei 55.000 Punkten.

(1) Aktienindex Bovespa (Brasilien)
Verlauf bis zur Fußball Weltmeisterschaft 2014

Chart-Bovespa-Start-2014-07-18.

(2) Aktienindex Bovespa (Brasilien)
Verlauf 5 Jahre bis zum Ende der Fußball Weltmeisterschaft 2014

Chart-Bovesta-J-5-2014-07-13-Finale

(3) Aktienindex Bovespa (Brasilien)
Verlauf 1 Jahr bis zum Ende der Fußball Weltmeisterschaft 2014

Chart-Bovesta-J-1-2014-07-13-Finale

(4) Aktienindex Bovespa (Brasilien)
Verlauf während der Fußball Weltmeisterschaft 2014

Chart-Bovespa-M-T-2014-06-12-2014-07-13-Fussball-Weltmeisterschaft

(5) Vergleich Bovespa – DAX
Verlauf 10 Jahre bis zur Fußball Weltmeisterschaft 2014

Chart-Vergleich-DAX-Bovespa-Fussball-J10-bis-Weltmeisterschaft-2014

(6) Vergleich Bovespa – DAX
Verlauf 6 Monat bis zur Fußball Weltmeisterschaft 2014

Chart-Vergleich-DAX-Bovespa-M6-bis-Fussball-Weltmeisterschaft-2014

(7) Vergleich Bovespa – DAX
Verlauf während der Fußball Weltmeisterschaft 2014

Chart-Vergleich-DAX-Bovespa-Fussball-Weltmeisterschaft-2014

Zahlen bitte *

Holen wir uns die letzte Auswertung noch einmal in Erinnerung. Die Fußball Weltmeisterschaft war da bereits in vollem Gang.

Einsatz € Kauf Verkauf/Wert Ergebnis
Währung EUR/USD 10.000,00 09.05.2014 13.06.2014 6.012 € 60,12%
Gold 20.000,00 26.08.2011 02.07.2014 2.076 € 10,38%
DAX 10.000,00 13.03.2014 02.07.2014 10.658 € 106,58%
Bewertungszeitraum 26.08.2011 02.07.2014
Kapitaleinsatz 40.000,00 1.042Tage Insgesamt 18.746 € 46,87%
umgerechnet auf 1 Jahr 6.566 € 16,42%
umgerechnet auf 1 Monat 547 € 1,37%

Zwei Wochen später, nach dem deutschen Finalsieg gegen Argentinien sieht es so aus:

Einsatz € Kauf Verkauf/Wert Ergebnis
Währung EUR/USD 10.000,00 09.05.2014 13.06.2014 6.012 € 60,12%
Gold 20.000,00 26.08.2011 14.07.2014 1.257 € 10,38%
DAX 10.000,00 13.03.2014 14.07.2014 8.027 € 80,27%
Bewertungszeitraum 26.08.2011 14.07.2014
Kapitaleinsatz 40.000,00 1.054Tage Insgesamt 15.296 € 38,24%
umgerechnet auf 1 Jahr 5.297 € 13,24%
umgerechnet auf 1 Monat 441 € 1,10%

Die ausschließliche Konzentration auf das Fußballgeschehen hätte ein Loch von 3.450 Euro in der Kasse hinterlassen, ganz im Gegensatz zum Konto der Fußballer. Auf die Goldjungs ist zusätzlich zu Ihren laufenden Vereinsgehältern und Werbeeinnahmen noch ein warmer Regen von insgesamt 6,9 Millionen Euro Spielerprämien niedergegangen.


* Hinweis für NeueinsteigerBeginnen Sie hier: „Wenn der Kragen platzt“
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